"EIN-FÄLLE"
ÜBER GOTT UND DIE WELT

Ich erlebe das Malen häufig wie einen meditativen Vorgang. Dabei kommen mir hin und wieder Gedanken, die mich auf eigenartige Weise berühren, denn sie fühlen sich  an, als kämen sie nicht aus meinem Unbewußten, sondern als würden sie buchstäblich wie 'Ein-Fälle' von außen in mich hineinfallen. Hier ist eine kleine Auswahl:


Wir steigen bis zum Gipfel, um dem Himmel näher zu sein. Es ist eine stille Welt zwischen Leben und Tod. Unten im Tal tobt der Fortschritt.

Ein seltsames Licht, das kühl und fremdartig erscheint, vergoldet die Birken. Wir sind umgeben von den alltäglichen Wundern der Schöpfung. Gott haucht sich in die Welt, damit wir ihn erkennen können.

Viele scheinbare Zufälle sind in Wahrheit bedeutungsvolle Koinzidenzen. Es ist doch seltsam, wie sich verschiedene Wesen, Dinge oder Begebenheiten manchmal verbinden und einen Sinn ergeben.

Eine Spur führt in den Wald und nicht zurück. Man gerät in eine sonderbare Welt, wenn man sich den Gefühlen hingibt, welche die Melancholie einleiten.

Wir sind in allen Richtungen umgeben von Milliarden Kilometern und Milliarden Jahren. Die Unendlichkeit und die Ewigkeit durchdringen das Universum mit zarten, blauen Klängen.

Die Liebe ist eine komplizierte Geschichte. Was geschehen ist, läßt sich nicht rückgängig machen. Die Gefühle, nach denen wir uns sehnen, sind flüchtig, ähnlich wie jene seltenen Isotope, die nur Sekundenbruchteile existieren, bevor sie wieder zerfallen.

Du hättest nicht zurückkommen dürfen. Als ich später über unser Gespräch nachdachte, hatte vieles eine andere Bedeutung. Was blieb?: Eine ruhige Melancholie und ein wortloser Dialog mit den stummen Dingen.

Die Träume fliegen davon wie Luftballons. Wir sitzen im Alltag fest. Dunkle Gefühle breiten sich aus und bedecken die Landschaft wie eine Überschwemmung bis zum Horizont. Die Natur hat eine Botschaft. Sie will uns etwas sagen. Aber was eigentlich?



Das Bestehende ist die Wirklichkeit. Die Welt scheint auf in ihrem eigenen Licht. Die Zukunft besteht aus vielen Möglichkeiten, aber nicht alle Möglichkeiten werden Wirklichkeit. Die Zeit fließt gleichmäßig in die Ewigkeit.

Gott hat sich mit einer Substanz eingesprüht, die ihn unsichtbar macht. Vieles wäre einfacher, wenn wir ihn sehen könnten.

Die Elbe lag in der Marsch wie eine riesige Schlange aus Blei und teilte die Landschaft in zwei Hälften. Über ihr lag ein feiner Nebel, der die Ufer wie eine Brücke miteinander verband. Als Kind dachte ich, der Nebel steige im Friedhof auf: Die Seelen der Toten hauchen sich über das Land und kehren an die Orte ihres Lebens zurück, und so schweben auch die Seelen der ertrunkenen Schiffer über dem Fluß.

Die verblühten Tulpen lehnen am Zaun wie melancholische Schwestern. Ihre Wurzeln reichen bis in die Unterwelt.

Die Wirklichkeit ist voller Rätsel, und die Dinge enthalten viele Geheimnisse. Wenn man die ganze Wahrheit kennen würde, würde man sie vielleicht nicht glauben. Hinter dem Horizont liegt ein zweiter Horizont und dahinter ein dritter und ein vierter und ein fünfter ...



Im Sommer verliert man leicht das Gefühl für die Wirklichkeit. Eines Tages werden unsere jetzigen Gedanken und Gefühle nur noch Erinnerung sein. Plötzlich fällt man rückwärts in die große Nacht.

Heute fühle ich den unendlichen Raum, der uns umgibt. Und die unendliche Zeit. Das unverstandene Leben fließt leicht durch die zarten Hände der Dichter.

In der Schönheit der Natur ist eine geheimnisvolle Ordnung verborgen. Während unsere Ahnungen durch die Wirklichkeit schweben, werden wir von der Unendlichkeit berührt.

Jenseits der Tatsachen gibt es noch etwas anderes, und das ist vielleicht wichtiger als die Tatsachen.

Meine Gedanken gleiten durch den Tag wie Schiffe durch den Ozean. Schwimmen ist so ähnlich wie fliegen. Dieses Gefühl könnte auch Liebe sein, oder?

Das Sichtbare ist eine materielle Verdichtung des Unsichtbaren, das die Wirklichkeit wie eine geheimnisvolle Kraft durchdringt.

Der Mohn zieht das Blut der gefallenen Soldaten aus der Erde. Gegen das Licht sieht der See schwarz aus. In letzter Zeit träume ich viel von Wasser. Was mag das bedeuten?

Im Laufe der Zeit wiederholen sich ähnliche Situationen und Ereignisse, auch wenn sie sich in den Details unterscheiden. Es ist so, als wollte sich eine Idee verwirklichen oder vervollkommnen. Auch Wünsche verdichten sich so lange, bis sie Wirklichkeit werden. Deshalb sollte man vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht.

Wir rudern auf dem Starnberger See. Schon weniger Meter vom Ufer entfernt ordnen sich die Gedanken und Gefühle. Auf dem Grund liegen die Schatten der Vergangenheit, zu Tausenden übereinander gestapelt.



Groß und schweigend lag die Nacht über dem Labyrinth der Liebe, während die Wellen kleine Steine an den Strand spülten. Plötzlich waren wir entrückt, weit weg, irgendwo zwischen oder hinter den Sternen.

Leise überqueren die Elche die Straße. Sie ziehen nach Norden, zum Ende der Birken. Seltsam mischt sich das fahle Licht mit den stummen Pflanzen.

Beim Anblick von Flechten fühlt man den sonderbaren Drang der Mineralien, in Leben überzugehen. Hier liegt unser Ursprung.

Die Träume haben sich verflüchtigt. Jetzt sitzen wir im Alltag fest. Während ich das Bisherige aufarbeite, wachsen Rosenzweige durch meine Wohnung. Das lyrische Ausgreifen verheddert sich in den Dornen. Ich bin bereit, mich zu bewegen, aber ich kann es nicht.

Die goldenen Blätter taumeln auf die Straße. Das letzte warme Licht streift schüchtern unsere Füße. Aber die Erinnerung ist noch da. Lange elastische Bänder würden uns in die Vergangenheit ziehen, wenn wir nicht durch unser Gewicht auf der Erde festgehalten würden.

Bei Föhn scheint Murnau von den Bergen förmlich belagert zu werden. Für die helleren Flächen nehme ich Kobaltblau-hell und Preußischblau, letzteres mit einer Spur Zinkweiß aufgemischt. Für die dunkleren Flächen grundiere ich mit Phtaloblau und lege anschließend eine dünne Lasur von Indigo auf die noch feuchte Schicht. Für das Vorland male ich im Hintergrund eine fleckenartige Schattierung in Pariser Blau und im Vordergrund eine ebene Fläche in Böhmische Erde mit einer aufgesetzten Schraffur in Ultramarin-hell, die schräg von links unten nach rechts-oben verläuft. Für den Himmel nehme ich Primaire-Blau mit einer Spur Schweinfurter Grün, beide dünnflüssig aufgetragen und mit etwas Kremser-Weiß unterlegt. Und der See?: Elfenbeinschwarz für seine seltsame Schwermut und am Rand ein schmaler Streifen in Coelinblau mit ein wenig Türkis für seine zarte Poesie.

Der Wind zieht über die Felder und nimmt die Wärme mit. Die Gedanken werden erdwärts gedrückt und in Steine verwandelt. Am Horizont, wo der Himmel die Erde berührt, begegnen sich Diesseits und Jenseits. Es scheint noch eine andere Welt zu geben als jene, die wir kennen. Dort herrscht die Ewigkeit.



Langsam und vorsichtig fließt der Fluß in die Stadt. Neugier kann es sein - oder Liebe?

Gott wurde von der Nacht verschluckt, kurz nachdem er an den Rosen vorbeigehuscht war.

Die Erinnerung ist das einzige, das von allem übrig bleibt. Wenn überhaupt. Es ist die Einsamkeit, die dem Tod die Tür öffnet. Dieser löst alle Probleme.

Tief unter den Schiffen liegt ein Wissen verborgen, das in der Form von kleinen Steinen und Muscheln an den Strand gespült wird. Niemand kann sie richtig zusammensetzen, wie die Töne verwehter Lieder, die der Wind mit sich trägt.

Die Ewigkeit fließt ohne Hast dahin. Die Lebenskraft der Toten wird in der Erde gebunden und später an die Lebenden verteilt. Die Straße schneidet die Landschaft in zwei Hälften. Die Bäche winden sich wie schwarze Nattern durch das Moos. Jede Stimmung ist einzigartig und nicht wiederholbar.

Der Bach hat in unendlicher Geduld ein tiefes Tal zwischen die Hügel geschnitten. Einige kräftige Strudel haben sich zu Forellen verdichtet. Die von der Strömung gedehnten Wellen nehmen die Melancholie der Wiesen mit und spülen sie ins nächste Dorf.

Ich erlebe den Fortschritt in einzelnen Abschnitten und bewege mich durch die Zeit wie ein Frosch, der nach jedem Sprung eine Pause einlegen muß.

Tief auf dem Meeresgrund liegen die ertrunkenen Matrosen, aber zwischen Wasser und Himmel löst sich aus der Gischt ein prasselnder Vogelschwarm, und über uns wölbt sich das mächtige Licht eines neuen Frühlings.

Während wir nach Italien reisen, um schöne Städte zu sehen, wird bei uns ein häßliches Gebäude nach dem anderen gebaut. In Siena habe ich meine Leiden am Fortschritt abgeschüttelt wie lästige Käfer.

Mein Leben vertrocknet in einem Netz von Vorschriften und Verboten. Meine Seele schwebt über dem Körper wie eine leichte Flaumfeder. Ein kleiner Windstoß könnte sie davontragen.

Es gibt eine Kraft, die eigenmächtig aus der Materie drängt, sie verändert und belebt, aber es gibt auch eine andere Kraft, die von außen und vielleicht sogar aus der Zukunft wirkt und die Materie in eine bestimmte Richtung lenkt, ähnlich wie das Wachstum der Pflanzen vom Licht gesteuert wird.

Um die Gegenwart besser zu verstehen, beschäftigen wir uns mit der Vergangenheit, aber diese ist genau so unverständlich wie die Gegenwart.

Der Pavillon lag in einem schönen Park zwischen alten Bäumen und flüsternden Gräsern. In Christines Haaren verfing sich das Licht. Der Himmel wölbte sich über Bayern wie eine Melodie aus Sehnsucht und Träumen.

Sitzt auch Du manchmal in einer unbeschreiblichen Stimmung am See und starrst ins Wasser? Spürst Du dann auch die Jahrhunderte?

Wer keine Heimat hat, muß seinen Halt woanders finden, zum Beispiel im Rausch, in der Liebe, in der Kunst, in der Religion oder im Wahnsinn.

Ich sehne mich nach jenem Land, wo der Himmel die Erde berührt, und versinke in einer Stimmung unerlöster Zärtlichkeit.

Vom Baum sieht man nur das, was über den Boden herausragt, aber unter ihm sieht man nicht das geheimnisvolle Leben in der lautlosen Finsternis der Erde.

Ich stecke einem schlafenden Schwan zwei Träume ins Gefieder. Vielleicht verliert er den einen schon morgen, den anderen vielleicht erst im Herbst, im fernen Ägypten.

Mit hochgezogenen Schultern standen die Häuser am Gleis. Die Felder schnitten flach durch meinen Kopf. Der Zug fuhr unaufhaltsam und zwang mir seine Kraft auf.

Drüben stürzt der Wald in den Fluß, aber hier strömen die Felder in weichen Wellen hinunter und laufen in einer flachen Kiesbank aus. Die Wacholdersträucher können dieser Bewegung nur deswegen widerstehen, weil sie besonders schlank sind. Ich blicke in den Himmel und fühle deutlicher als sonst, daß wir aus Sternenstaub entstanden sind.



Wir gingen durch einen Zaubergarten. Die Landschaft nahm uns auf und veränderte uns. Die Berge standen am Horizont wie versteinerte Götter. Der ganze Kosmos bestand nur noch aus Gefühlen, Mythen und Symbolen. Abends lag das warme Licht der Schreibtischlampe wie ein goldenes Kissen auf meinem Briefpapier. Ich legte meinen Kopf darauf und schlief ein.

Der Nebel haucht sich aus den Wiesen, legt sich wie Watte um die Kühe und schwebt in die frisch geschaufelten Gräber, bis sie voll sind bis zum Rand. Die Straße führt zum Horizont. Dort endet die Welt.

Die Steine ruhen in einer langen Ohnmacht und hoffen auf Leben, ähnlich wie wir, bevor wir geboren wurden.

Als wir durch das knisternde Maisfeld gingen, hatten wir das Gefühl, als wollten unsere Gedanken hochfliegen, aber wie ein kleiner Schwarm schwarzer Fliegen surrten sie nur um unsere Köpfe und schafften es nicht einmal bis über die Hutkrempe.

Die Schatten der Bäume lagen flach auf der Isar, aber sie wurden nicht weggespült. Nur einige Blätter trieben wie tote Fische bis nach München.